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EINBLICKE

In mein Leben. In mich.

  • AutorenbildKlaus

PERLE NAMIBIA


Der Canyon. Er streckt sich vor uns aus und erinnert dabei an die Badewanne eines Riesen, bei der vor 280 Millionen Jahren der Stoppel rausgezogen wurde und nach dem Ablaufen des Wassers sich über die Zeit eine Kruste gebildet hat. 280 Millionen Jahre. Ich versuche mir diese Dimension vorzustellen und scheitere kläglich daran. Gegen 280 Millionen Jahre ist unser Besuch ein Nichts, ein Sandkorn im Universum, weniger noch, ein Nano-Bruchteil eines Wimpernschlags, ein.... jeder Versuch eines Vergleichs würde hinken, so wie der Riese, der sich einen Tannenbaum als Schiefer eingetreten hat.



Das Pool lockt. Ich taumle zwischen Baden im Glück und dem Anflug von Schuldgefühlen. Auf unserer Schotterpisten-Rallye von Lodge zu Lodge passieren wir alle paar Stunden Siedlungen und kleine Dörfer. Reduktion, Einfachheit & Bescheidenheit von außen betrachtet. Armut hinter den Mauern, die selten Mauern, meist Wellbleche sind.



Freundlich grüßen & anständig Trinkgeld im direkten Kontakt zu geben ist unser Weg damit umzugehen. Ich beruhige mich mit dem Gedanken, dass ich die Armut dieser Welt nicht auflösen kann.

Der Wind bläst erbarmungslos um die Ecke. In mir entsteht der Gedanke, dass dies immer so ist an Abrisskanten von Canyons. So wars am Grand Canyon, so wars vor 6 Monaten am Fish River Canyon, so is es nun hier in der Grootberg Lodge am Canyon des Grootbergs und so wars vorgestern beim Sundowner im Eagles Nest der Vingerklip Lodge.



Die Magie Namibia’s hat mich erneut in seinen Bann gezogen. Sie steigt in mir auf und moussiert wie die Perlen in einem frisch befüllten Kristallglas Champagner, auf einer Terrasse mit Weitblick eines französischen Loire-Schlosses.



Ich halte die Zehen ins eiskalte Pool, noch wage ich mir die Staubschicht noch nicht von der bei 41 Grad angedörrten Haut zu waschen. Duschen gibt es keine, aus Wassermangel wie man uns erklärt, dafür ein gut & eiskalt gefülltes glasklares Pool. Namibia entpuppt sich immer wieder als skurriles Land der Kontraste. Das Eisbad muss warten, zu sehr zieht der Canyon meinen Blick auf sich, magnetische Anziehung, ich kann mich nicht wehren, will es auch gar nicht, gefügig gebe ich mich ihm hin, fast so wie die Zebrastute gestern am Wasserloch dem Zebrahengst.



Beim Einchecken erfahren wir dass wir nicht alleine vom Haupthaus zu unserem Steinhäuschen wandern dürfen. „After dinner you have to wait for the guide Toni who will lead you to your accomodation“

Auf die Frage „Warum?“ Bekommen wir die info: “Because of the wild animals…..“ Und mit einem Lächeln fügt die Dame an der Rezeption hinzu: „And because it’s his job”

Als wir am Abend zum Häuschen begleitet werden lauschen wir Toni’s Erzählung vom vergangenen Jahr, als in der Dämmerung 2 Löwen Wasser aus dem Pool geschlürft haben. Wir rätseln ob es der Wahrheit entspricht oder er gerade seinen Job rechtfertigt. Die Geschichte verweilt in unserem Kopf bis zum Auschecken, den Schlüssel drehen wir heute Nacht zwei Mal um

Der rechte Unterarm leuchtet rot und benötigt heute Spezial-Behandlung, sämtliche Cremen die in Griffweite sind finden Anwendung. Er ist die schmerzhafte Folge vom „Flügerl auße“ Fahrstil. Eine alte Bootsfahrer-Weisheit besagt „Nur weil du die Sonne wegen dem Wind nicht spürst, heisst es nicht dass sie nicht scheint.“ Diese Weisheit passt auch gut für bei geöffnetem Fenster quer durch Namibia fahrende Pick-Up Fahrer.

Die faszinierenden Bilder von den gestrigen Tierbegegnungen schießen mir nochmals durch den Kopf.



Der einsame Elefant stand mitten im African Wildlife Panoptikum, fast so als wären sie alle zu seiner Geburtstagsparty erschienen. Nur einer fehlt, der König. Löwen haben wir bis zum Schluß keine gesehen. In manchen Situationen denken wir uns leider, andere male Gott sei Dank.

Bei uns ißt man gemeinsam Torte, hier steht gemeinsames Trinken am Wasserloch auf der Birthday-Tagesordnung. Der Zebra Hengst dürfte zu viel erwischt haben und rammelte die Stute gleich vor allen Partygästen und uns nieder. Es geht weiter, ab auf die Piste!



Im Nationalpark Tiere zu beobachten ist eine schöne Sache. Wenn dann allerdings Giraffen in freier Wildbahn zum Greifen nahe erscheinen, dann sprudelts Glückshormone unter der Haut hervor. 4 Giraffen spazieren aus der Weite der afrikanischen Steppe an uns vorbei. Die Letzte hat es schon etwas gnädig und huscht im Big Mama Schwallgang den anderen hinterher. Wir bleiben stehen. Sie auch. Treuherzig und drollig sieht sie uns mit ihren Kulleraugen an. Darüber stehen ihre Höcker wie Antennen in den stahlblauen Himmel.



Sie ist mein Lieblingstier. In Tier gebrachte Eleganz & Ästhetik. Außer wenn sie sich etwas schneller bewegen muß, dann wirkts ein Wenig behäbig, um ehrlich zu sein fast schon potschat. Ein Künstler hätte ihren Animal Print nicht kreativer und stilvoller entwerfen können und wenn sie kaut wirkt es fast schon ein Bisschen humorvoll. Privilegiertes Geschöpf! Die saftigen Knospen da oben im 3. Stock bleiben ihr vorenthalten. Sie ist so anders als all die anderen Wildlife-Geschöpfe hier. Ich wundere mich, dass sie die Evolution ohne Auslöschung überstanden hat....und wünsch mir, daß sie es noch ganz lange tut.

Mein Freund Christoph isst nur abends. Wenn ich ihn frage, ob er denn beim stets lecker angerichteten Frühstück oder bei den Mittags-Snack-Angeboten nie zugreifen möchte, hält er lediglich seine Handfläche im rechten Winkel zwischen den Augenbrauen an seine Stirn und verkündet: „Fokus“

Ich bewundere ihn für diese Gabe. Nicht ganz so fokussiert ist er im Beisein von Spinnen. Da löst er sich beinahe auf. So auch, als er eine Vogelspinne im Vorhang unserer doppelt versperrten Unterkunft entdeckt. That’s what friends are for. „Amoi da Gigl, amoi da Gogl“. Ich bugsiere unsere haarigen Gästin mit Klopapier in ein Glas und schenke ihr ihre Freiheit wieder. Im Gegenzug weiß ich, daß Christoph mich vor Schlangen retten würde die er schon als Kind immer gerne am Schwanz gezogen hat. Sein Schlangenbefreier-Einsatz wird zum Glück nicht notwendig. Die einzige die wir Erblicken liegt in der Erongo Wilderness Lodge beim Weg zum Frühstück quer über den Pfad, verschlängelt sich allerdings ganz von alleine ohne unser zutun.

Wir verabschieden uns von Toni, dem Löwenpool, der Vogelspinne, der Badewanne des Riesen und einer einzigartigen Landschaft.

Es geht weiter.



Nächster Halt: Swakopmund, die südlichste deutsche Stadt. Wir steigen im Hotel Zum Kaiser ab. Auf den ersten Blick fühlt es sich wie Ballermann an, in der Ferne und doch ist alles deutsch, nur ist der Hintergrund ein anderer. Nicht der deutschsprachigen Touristen zu Liebe, vielmehr befinden wir uns in einem städtlichen Relikt aus der deutschen Kolonialzeit als Namibia noch Deutsch-Süd-West-Afrika war. Im Antiquitätengeschäft kugeln Hakenkreuze neben Reichsadlern in der Vitrine herum. Am Zeitungskiosk strahlen uns Dieter Bohlen & Co von den Titelblättern von Neue Post, Bild Zeitung und vielen anderen bekannten bunten Blättern an. Und der Supermarkt quillt fast über vor Haribo-Sackerl und vielen anderen vertrauten Marken. Es fühlt sich an als wären wir aus der Saunatür getreten und ins klirrend kalte Tauchbecken gehüpft. 18 Grad Lufttemperatur statt der 41 von gestern. Der Atlantik misst aufgrund arktischer Strömungen überhaupt nur 12 Grad, ein paar hartgesottene Surfer im Neoprenanzug stört das gar nicht. Wir beobachten ihr Treiben gut eingehüllt. Flip Flops & Sonnencreme dürfen im Koffer rasten, während Haube, Jacke & Schal endlich was von der Gegend zu sehen bekommen.



2 Tage cool down in der (deutschen) Zivilisation. Auf der Suche nach einem passenden Cafe für emails checken, Zeitung lesen und die Kühle genießen werden wir bald fündig. Das Slow Town beherbergt mich und mein Notebook fast einen ganzen Tag. Shabby Chic, Berlin Style, Burggasse und vieles mehr vereint mit good vibrations. Ich mag den Platz und den Geruch von frisch geröstetem Kaffee.



Wir treten wieder in die vorgeheizte Sauna ein. Solitaire ist auf der Karte mit einem saftigen Pünktchen eingezeichnet. Vor Ort erwarten uns eine Tankstelle und 3 Häuser in the middle of nowhere. Wir tanken.



Wir stärken uns mit der traditionellen Namibia-Tankstellen-Kombi: Coffee & Apple Pie. Wie die Äpfel hierherkommen fragen wir uns, finden aber keine Antwort. Danach schießen wir noch ein paar Pics der bizarr wirkenden Autowracks, schon lange nicht mehr im Einsatz und zart mit Rost überzogen. Irgendwie fühlt es sich nach Wilder Westen an.




Der Song „Ollas wos I brauch“ von Georg Danzer summt mir im Kopf herum. Ich werde nostalgisch, versuche aber es mir nicht anmerken zu lassen. Der gute alte Schurli, der wusste wovon er singt. Unsere Reifen sind recht profillos, gut geeignet als Formel 1 Slicks, weniger für Wüstendurchquerungen. Stets driften wir am sandig-schottrigen Untergrund auf der Suche nach Grip.

Nächstes Ziel: Namib Dune Star Camp. 5 Chalets mitten in der Namibwüste mit auffallend großen Holzterassen. Warum? Nachts rollt man hier die Betten auf die Terrasse um unter dem Glitzern tausender Sterne einzuschlummern. Doch Stopp! So weit sind wir noch nicht. Davor gilt es nach Schlangen- und Spinnenphobie noch eine weitere zu überwinden: Die Phobie vor Reisegesellschaften. Für einen bewusst reisenden Individualisten sind sie das größte Schreckgespenst. Beide haben wir uns im Vorfeld köstlich amüsiert über das Buch Hummel Dumm von Tommy Jaud, ein Klassiker und Must-Read für jeden Namibia-Reisenden. Der Roman schildert das Treiben einer skurrilen Reisegruppe in Namibia. Beim Lesen haben wir noch geschmunzelt und gelacht. Plötzlich sind wir mittendrin! Am Weg vom Base Camp zu den Chalets betretenes Schweigen im Geländebus, Stereotypen spuken im Kopf herum. „Hoffentlich müssen wir nicht zu viel Zeit gemeinsam verbringen“ ist einer meiner ersten Gedanken. Die für 10 Personen gedeckte Tafel im Wüsten Camp gibt Gewissheit. Der Weg zurück zu Fuß zu weit. Doch so schlimm ist es dann gar nicht. Bier, Wein & Gin Tonic machen uns alle redselig & gesellig.



Die traumhafte Landschaft um uns wird fast zur Nebensache und so erfahren wir interessante Fakten. Zum Beispiel, dass der deutsch deutsche Lufthansa Flugzeugtechniker Holger 0,3 Bar Druck auf 100km in seinem rechten Vorderreifen verliert. Christoph und ich schauen uns verdutzt an und meinen, uns wäre der Druckverlust frühestens aufgefallen, wenn andere uns auf den Potschn (deutsch: Platten) hingewiesen hätten. „Zu 99% werdet ihr mindestens einmal Reifen wechseln müssen“ haben sie Holger beim Autoverleih als zuversichtliche Botschaft mit auf den Weg gegeben. Wir klammern unsere Hoffnung an das verbleibende Prozent. Rita ist die Gattin des deutsch deutschen Lufthansa Flugzeugtechnikers. Sie ist pensionierte Bankerin. Auf der Bank hat sie viele Trainings und Coachings genossen, die ihr stets sehr gut gefallen haben. Sie weiß halt was Trainer & Coach-Ohren hören wollen. Ich glaub ihr kein Wort.

Der französische Diplomat von der Botschaft aus Windhoek schildert uns Abenteuer darüber, was man mit einem Diplomatenpass alles anstellen kann. Weltweite Visa-Freiheit, versiegeltes Gepäck das an keinem Zoll geöffnet werden darf und zum Schmuggeln einlädt. Aus seinem letzten Ukraine-Aufenthalt hat er die Augenweide Anastasia mitgebracht. Auch sie unterhält die Runde, optisch.

Das namibische Pärchen aus der Hauptstadt Windhoek möchte einfach nur mal ausspannen, und das inmitten der Schönheit des eigenen Landes, in etwa so wie wenn wir an den Neusiedler See fahren. Auch das gibt’s.

Den Namen vom schottischen Afrikakenner haben wir uns leider nicht gemerkt. Würde man ihm eine rote Mütze mit weißem Saum aufsetzen – er wäre Santa Claus persönlich, so nennen wir ihn liebevoll Santa. Seit 38 Jahren lebt er in Afrika und kennt jedes Land hier bis ins letzte Detail. Wir vermuten dass seine Nase von den vielen Schnäpsen so rot leuchtet, und als wir seine Ehefrau kennenlernen, wissen wir warum so viele Schnäpse notwendig sind. Höchststrafe! Christoph, seines Zeichens Psychiater, stellt sofort die Diagnose: Querulantia. Stöhnend und ächzend erklärt sie uns, was alles schlecht ist an dieser Welt. Wir sitzen an einem der schönsten Plätze dieses Planeten und müssen sie an dieser illustren 10er-Tafel erdulden. Ihr Klagen kennt kein Ende. Vor 3 Jahren musste sie einer Freundin zu Liebe, die sich First Class nicht leisten konnte, in der KLM Economy fliegen. Noch heute hat sie Alpträume und schlaflose Nächte davon. Ich würde ihr ihre Alpträume gerne nehmen und sie einladen eine der nächsten Nächte in einer der Wellblechhütten der Wüstenstämme in brütender Hitze zu schlafen. Wir brauchen noch mehr Gin Tonic um nicht weinend in die dämmernde Wüste zu laufen.



Und dann sitzen da noch 2 Wiener Freunde an der Tafel. Sie werden wahrscheinlich einmal mehr für ein gay couple gehalten, spätestens als sie sich in ihr flauschiges Bettchen auf der Terasse unterm Sternenhimmel kuscheln.



Christoph wandert am frühen Morgen zu Fuß ins Base Camp, einerseits um die bezaubernd schöne Landschaft zu inhalieren, andererseits um dem gemeinsamen Bustransfer mit der ganzen Bande zu entkommen. Das Ausspannen am Pool heute haben wir uns verdient. Wir brauchen Ruhe um das Gin Tonic Nachspiel zu verdauen.



Namibia, das Land der Kontraste. Endlose Weiten, und wenn wir dann in einer Lodge absteigen, dann erwartet uns oft ungeahnter Luxus. Eine Doppel-Whirl-Badewanne im Zimmer der Sossusvlei Lodge in der Wüste. Daneben der Vermerk man möge Wasser sparen, schließlich sind wir in der Wüste. Das tiefblaue Pool vor der Steppe. Um an Wasser zu kommen werden oft Brunnen bis zu 130m und noch mehr ins Erdreich gegraben um das Grundwasser anzuzapfen. Mit Solarpower wird das eiskalte Nass aus der Tiefe an die Oberfläche gepumpt um Pools & Wassertanks zu füllen. Meist wird gleich neben dem Brunnen ein kleines Wasserloch befüllt, um den Wildtieren der Umgebung auch etwas abzugeben. Als Gegenleistung leuchtet nachts ein Scheinwerfer auf genau diese Stelle um den Lodge-Gästen zu zeigen, wer sich gerade an der Tränke bedient.



Meist sind es Oryx Antilopen die ästhetisch, fast wie Models, am Red Carpet aus der Finsternis heraus und dann wieder hinein stolzieren. Oryxe sehen wir häufig, sowohl bei Wasserlöchern als auch auf dem Teller, die gängigste Speise hier, das Wiener Schnitzerl von Namibia. Beim Studieren von Speisekarten und Buffet-Variationen wird mir klar, dass Vegetarier sein in Namibia kein leichtes Unterfangen ist. Fast bei jedem Lodge-Checkin werden wir gefragt ob wir eh Fleisch essen. Einmal werden wir sogar gefragt: „Are you vegetarian or do you have any other allergies?“

Ich baumle in der Steppe vor der Sossusvlei Lodge und hoffe dass die Oryxe mit ihren bedrohlich wirkenden Hörner weit genug wegbleiben und keine Schlange aus dem Baumgeäst ober mir herunterfällt.



Glück gehabt, den Sonnenuntergang unverletzt chillig schaukelnd überstanden.

Früh auf! Heute geht es in meine heissgeliebten Dünen.

Wenn das Wort „magisch“ zu oft fällt, dann tut es mir leid. Ich finde allerdings keine passenderen Ausführungen mehr für die uns gebotenen Superlativen. Weite, Freiheit, Schönheit, Glücksmomente. Mehr gibt’s nicht zu sagen, weil Worte das hier erlebte ohnehin nicht ausdrücken können.





Das La Mirage ist nach wie vor mein herzallerliebstes Wüstenschloß das uns die nächste Nacht beherbergt.



Von der angebotenen Quad Tour machen wir keinen Gebrauch, vielmehr tragen uns unsere eigenen Beine hinaus auf den Hügel in der Ferne, mit Blick ins Paradies. Sandknirschen unter den Schuhsohlen statt Motorengeheul unterm Hintern. Gut so. Zu Hause in meiner Badewanne liebe ich es ein warmes Schaumbad zu nehmen. Hier an den Wüstenabenden habe ich eine neue Lieblingsdisziplin entdeckt. Das warme Windbad. Angenehme Sitzhaltung im Sand einnehmen, Gesicht Richtung Sonnenuntergang und Wind halten, Augen zu, und dann: genießen! An den Ohrläppchen zischts und einige Sandkörner werden durch die Luft auf den unteren Oberschenkel gewirbelt, ein paar freche Sandkörner wagen sich sogar vor bis ins Hoserl. Es muss jetzt nichts anders sein. Genau so darf es bleiben. Ich denke an ein Lied von Ich & Ich das so oder so ähnlich geht. Die Jungs haben recht. Zumindest jetzt gerade. Ich wandere durch die Dämmerung retour und nach einer kurzen Dusche genießen wir ein Dinner der besonderen Art. Im Freien. Die Wüste liegt uns zu Füßen. Der feurige dunkelorangene Streifen am Horizont verwandelt sich bald in eine zarte Silhouette und läßt den Sternen am Himmel ihren Auftritt. Vorhang auf für dieses Naturspektakel!

Heute kein Bier, kein Wein, kein Gin Tonic. Ich genieße die Klarheit der Nacht und möchte ihr mit Klarheit in meinem Kopf Tribut zollen. Und: Ich freu mich auf den Sonnenaufgang. Im Urlaub um 5 Uhr aufzustehen ist zwar nicht ganz easy, doch der Akt wird fürstlich belohnt. Am selben Platz wie vor 12 Stunden, allerdings um 180 Grad gedreht heiße ich den wärmenden Feuerball willkommen. Sie macht es heute ganz besonders spannend und bleibt eine ganze Weile hinter einer Bergkette am Horizont, doch ich bin zuversichtlich, dass sie letzten Endes doch aufgehen wird. Bingo! Da ist sie! Hurra! Glücksgefühl-Überschwemmung! Von vorne spüre ichs warm, von hinten fährt mir eine kühle Brise durchs Haar, fast so wie wenn mein Frisör Matthäus mir an heißen Sommertagen kühlendes Teebaumöl ins Haarshampoo mischt.

Ich spaziere retour und da Christoph noch schläft setze ich mich alleine zum Frühstück und vertiefe mich in meine Leselektüre, nach einigen Jahren wieder einmal ein Coelho.

Es geht weiter.



2 Männer, ein Auto, große Hitze, Staub, Schotter und freier Blick bis zum Horizont. Die Wüste tut etwas mit uns. Fühlte sich die erste Woche noch wie eine Colin McRay Rally durch schöne aber viel zu selten bewusst wahrgenommene Landschaft an, so cruisen wir nun kontemplativ mit gefühlter Schrittgeschwindigkeit durchs Land. Wie auf Samtpfoten trägt uns der Toyota Hilux über den Sandkorridor, flankiert von Steppengrashalmen, die uns bei genauerem Hinsehen salutieren. Wir philosophieren über das Korrelieren der Ausdrücke satt sein von vielem Essen und satt sehen von schönen Dingen. Von dem was uns hier geboten wird kann ich mich nicht satt sehen. So stelle ich mir die Straße in den Himmel vor.



Kitschig. Es ist das nächste Wort worüber wir diskutieren. Kitschig. Ich habe es vor vielen Jahren einmal im Duden nachgeschlagen (=Retro-Googeln).

Dort stand: „Kitschig = unsagbar schön“

Ich denke zurück an meine erste eigene Wohnung. Die Klobürste war ein königliches Zepter, am Bambus-Paravent hing eine ständig unrhythmisch blinkende Lichterkette aus dem China-Shop, über dem Bett aus einem Fischernetz lugten blau beleuchtete Plastikhummer & Fische, gefladerte Deko vom Abendbuffet eines geschmacklosen ungarischen Wellnesshotels und das Poster meiner einstigen Vorbilder, der Seenomaden, war mit buschigen silber-glitzernden Lametta Schlangen eingerahmt, auch im Hochsommer. So mancher Besucher nannte meine Wohnung dereinst kitschig. Ich bin mir nicht sicher ob sie damals die Duden-Bedeutung gemeint hatten. Christoph ist nicht nur Psychiater, er ist auch Philosoph. Für ihn ist Kitsch der Geschmack der anderen. Ich habe ein klein Wenig gebraucht und den Satz nachschwingen lassen bevor ich ihn verstanden hab.

Zurück in die Wüste. Nächster Wohlfühlplatz: Wolwedans Dunes Lodge. Das Paradies auf Erden. Ein äußerst exklusives Hideaway.



Hier hat irgendwie alles Stil. Die Einrichtung, das Personal, der Umgang untereinander die Zubereitung der Speisen und auch wie sie kredenzt werden. Es gibt auch einige sehr elitär wirkende Gäste. Und uns. Zeit für das nächste abendliche warme Windbad.



Wieder bildet sich nach dem die Sonne sich verabschiedet hat in der ferne ein horizontaler dunkelorangener Streifen, fast so als würde der Riese den Horizont mit flüssigem Gold übergießen.

Morgendliches Reiten, Sunrise-Walk, Sunrise-Drive, und vieles mehr steht zur Auswahl. Die charmante Gastgeberin, Entertainerin, Gänsehautsängerin, Schauspielerin und Rezeptionistin Bea fragt uns welche Morning-Activity wir denn wählen würden.

„The following: wake up – watching the landscape – having a shower – watching the landscape – having breakfast – watching the landscape – saying good bye“

Sie bricht in schallendem Gelächter aus. Sowas hat sie noch nie erlebt. Und wir fragen uns warum man stets eine Activity machen müsse, wenn einem doch das Paradies von der eigenen Terrasse aus zu Füßen liegt.

Der Sternenhimmel zieht mich in seinen Bann und ich kann mich kaum fangen vor Staunen. Den Großteil der Nacht steht mein Bett im Freien.



Auch ohne spezieller Morning-Activity verbringen wir einen zufriedenmachenden Morgen. Das Reiseende naht.

Bei der Tankstelle im Ort Maltahöhe holen wir uns zum letzten Mal den Klassiker, Coffee & Apple Pie. Das Innenleben der Tankstelle besticht durch seinen äußerst ausgeprägten Wohlfühlfaktor. Wir finden uns wieder in einem antiken Trödlerladen.



Draußen Wüste und viel Nichts, drinnen üppige Aneinanderreihungen von Singer-Nähmaschinen als Dekoelemente, Schallplatten als Untersetzer für Teller, Schreibmaschinen aus dem 19. Jahrhundert mit der Aufschrift Maltahöhe-Mail und viele Skurrilitäten mehr. Wir inhalieren den guten Spirit und genießen den Klassiker.

Den letzten Abend und das letzte Frühstück zelebrieren wir an herrlich weihnachtlich gedeckten Tischen auf der Heinitzburg mit Blick auf Windhoek. Aus den Lautsprechern bekommen wir einen Vorgeschmack auf die weihnachtliche Beschallung daheim. Wir packen unsere Koffer. Der Airbus A350 trägt uns hinauf in den namibischen Himmel.



Schneeflocke & Christkind wir kommen! Ein ganz wichtiges Utensil haben wir miteingepackt. Die Weihnachtliche To Do Liste die uns an der Maltahöhe-Tankstelle von einer Tafel aus angelacht hat.



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