Ordem e Progresso steht in großen Lettern auf den majestätisch wirkenden Flaggen, die der südamerikanische Abendwind in großen Schwallbewegungen wehen lässt. Nationalstolz ist in jedem Winkel spürbar. Aufrechter Gang der Menschen. Wie emporstehende Trophäen ragen die Fahnenmasten in den Himmel. Die Abendsonne hat ihn in ein zartes Purpur getaucht. Die eingefärbte dichte Wolkendecke erinnert mich an die Prater-Zuckerwatte zur Erstkommunion, oder doch eher an ein Baumwollfeld nach einem Purple Rain? Egal. Es liegt Abenteuer in der Luft. Im Morgengrauen noch bibbernd bei -3 Grad Richtung Wiener Flughafen gesprintet, so brausen wir nun begleitet vom tropisch warmen luftfeuchtigkeitsgeschwängerten Fahrtwind durch die brasilianische Prärie.
Ayrton Senna ist hier nach wie vor ein Nationalheld. Sein Neffe bringt uns im Renntempo vom Flughafen Fortaleza ins Urlaubs-Paradies nach Jericoacoara. Ob er tatsächlich sein Neffe ist, bekommen wir aufgrund der Sprachbarriere bis zum Ende des Rennens nicht raus aus ihm, doch sein Fahrstil ähnelt unweigerlich seinem viel zu früh verstorbenen Onkel, dem ehemaligen Formel 1 Star.
Wir passieren urige Dörfer, die alles eines gemeinsam haben: Gemeinschaft! Die Menschen sitzen zu zweit, zu dritt und nicht selten in ganzen Gruppen vor den Häusern. Manchmal auf in die Jahre gekommenen Holzbänken, manchmal auf Tavernenstühlen, auf Stufen oder auf Steinblöcken, und: sie sprechen miteinander! Immer! Und nie leise! Manchmal lauschen sie der Geschichte eines einzigen, manchmal wird kreuz und quer recht eifrig diskutiert. Doch: Sie stehen in Kontakt. Soziales Gefüge. Connected! Man muß bei uns zu Hause schon ins tiefste Burgenland fahren, um noch Menschen zu sehen, die vor den Häusern sitzen. Doch die stützen ihre ledrigen Arme dann meist auf ihren Gehstock und beobachten stillschweigend vorbeifahrende Autos, während sie im Inneren in Erinnerungen schwelgen und der guten alten Zeit nachhängen. Die Jungen hingegen sind nicht vor dem Haus anzutreffen. Sie sind meist hinter dem Haus. Auf der Terrasse, im Garten oder im eigenen Pool, während Gartenzaun und dichte Hecke sie vor fremden Blicken schützen.
Hier nicht, hier findet das Leben auf der Straße statt, es pulsiert. Die Nacht bricht herein und wir halten an einer Tankstelle. Pit Stopp an der Tankstelle. Melonengroße Avocados lugen aus klapprigen Holzkisten. Ihre Größe verwundert mich. Der zum Kauf angebotene gackernde Gockelhahn im Plastiksack zwischen den Früchten verstört mich. Boxenstopp. Wir tanken nicht und ziehen auch keine neuen Pneus auf, sondern: Wir lassen Luft raus. Aus den Reifen. Ab jetzt wird es sandig. Unser Formel 1 Pilot mutiert zum Dakar-Fahrer. Gekonnt driftet er die sich vorm Meer aufbauenden Sanddünen rauf und runter. Ich umklammere den Haltegriff nun noch fester. Stets habe ich das Gefühl, dass der Neffe weiß, was er tut. Doch er tut dies alles schnell, sehr schnell. Plötzlich Schritttempo. Am Ziel angelangt. Jericoacoara. Ein komplizierter Name für einen verträumten Ort. Der Einfachheit halber wird dieses entzückende Zungenbrecher-Dorf liebevoll Jeri genannt. Die Fußgänger in der sandigen Barstreet zwingen uns zu Langsamkeit. Geschaukelt durch unzählige Schlaglöcher saugen wir den Spirit dieses Platzes auf. Eine Wolke aus Samba & Caipirinha liegt in der Luft. Ein Cuvee aus Flip Flop-Fancub, Beachwear-Liebhabern und Surfer-Gang sitzt bei Kerzenschein und Fackelgelodere in rustikalen erdigen Lokalen. Andere stehen an selbst gezimmerten und hübsch gestrichenen Bars. Stets den Sand zwischen den Zehen spürend und das Caipi-Glas umklammernd. Das Nationalgetränk ist unübersehbar. Caipirinha soweit das Auge reicht. Da es meine mitgeschleppte ausklingende Verkühlung leider auch durch den Zoll geschafft hat, bestelle ich meinen ersten Caipirinha ohne Eis. Unsere Kellnerin Fernanda blickt mich verblüfft mit großen Kulleraugen und offen stehendem Mund an. Nach ihrem Nachfragen und meiner Bestätigung dieser skurrilen Bestellung verwandelt sich ihr Staunen in ein süßes Lächeln. Eifrig notiert sie das Gehörte auf ihrem kleinen karierten Notizblock. Vielleicht ergeht es Fernanda gerade so, wie dem Wiener Kellner im Landtmann, bei dem ein Tourist ein Wiener Schnitzerl ohne Panier bestellt. Apropos Tourist. Dass wir von der Nordhalbkugel stammen, können wir nicht verleugnen. Alle, wirklich alle Menschen die wenig später bei der Beachparty ihre eiswürfelgekühlten Caipifruttas zu den Techno-Beats wippen, sprechen portugiesisch und haben mittelbraune bis dunkelbraune Hautfarbe. Nur 3 nicht. Die sprechen deutsch und strahlen wie weiße Halogen-Straßenlaternen in den brasilianischen Sternenhimmel. Einer davon mit einem warmen alkoholgetränkten Fruchtmus in der Hand.
Erst in der Morgendämmerung zeigt sich bei Tageslicht die Schönheit unserer Anlage.
Heavy Backpacking in moskitobelagerten räudig-ranzigen Bretter-Verschlägen muss nicht mehr sein. Der Rimowa-Koffer darf auf seinen 4 Rollen in schön geflieste und klimatisierte Unterkünfte mit Pool rollen.
An der Rezeption hat man sich für ungebildete Nordhalbkügler die weder portugiesisch, noch wie das von den vielen argentinischen Gästen gesprochene Spanisch sprechen, etwas einfallen lassen. Alles, was uns das Personal mitteilen möchte, tippen sie in ihrer Sprache in ein Smartphone, vielmehr in eine Übersetzungs-Software darauf. So verstehen wir, was gerade von uns gewünscht wird und vice versa. In den Lokalen gibt es zum Glück meist Bilder in den Speisekarten, auf die wir beim Bestellvorgang tapsen wie Dingsda-Kinder im Vorabendprogramm der Neunziger-Jahre. Für die Bestellung „Bitte kein Eis“ gibt es leider kein Bild, die körpersprachliche Erklärung endet nicht selten in Akrobatik.
Das Fortbewegungsmittel Nr. 1 ist der gute alte Strand-Buggy in dem schon Bud Spencer & Terence Hill im Sand herumtollten. In der Heimat dafür eine Straßenzulassung zu bekommen: unmöglich! In Europa damit kilometerweit wilde Strände entlang zu fahren: unmöglich! Hier: Alles kein Problem!
Ich bin überrascht, wie gechilled und dennoch gut organisiert Brasilien funktioniert. Und wie sauber es ist. Saubere Strände, saubere Straßen, saubere Dörfer. Die Antithese zu Indien.
„Wie ticken die Leute hier?“ frage ich mich. Mangels Dialogen bleibt diese Frage noch ein Weilchen unbeantwortet. Zu groß ist die Sprachbarriere. Kein deutsches und kein englisches Wort. Weit & breit nicht. Nicht gesprochen und nicht verstanden. Ich übe mich in Beobachtung. Familienfreundliches Volk. Kinder dürften auf der Prioritäten-Pyramide ganz oben auf der Spitze thronen. Hängematten und Hängesitze prägen das Landschaftsbild.
Die Sprache klingt für mich sehr erdig, beinahe ordinär. Fast wie wenn Menschen mit Meidlinger „L“-Prägung äußerst langsam und langgezogen spanisch sprechen.
Am Abend tauchen der Kerzenschein der Tischkerzen und das Flackern der Petroleumlampen dieses verträumte Dorf in eine Mysthik aus Romantik und vergessen-verwunschener Welt in der die Zeit stehen geblieben ist.
Die Musik aus den Boxen genauso wie die Balladen aus den Mündern der Barsänger tragen stets melancholische Handschrift mit einer Brise Traurigkeit.
Am Morgen: Sturm im Anmarsch!
Nicht nur im Außen von Westen kommend. Auch in den Bäuchen meiner Cousins Andreas & Stefan aus dem Verdauungs-Trakt kommend. Die nächsten 3 Tage winden sie sich mit Magenkrämpfen im Bett. Wir tippen auf die Eiswürfel der mobilen Cocktailmixer bei der Beachparty. Dank meiner Eiswürfel-Abstinenz bleibe ich verschont und versorge die beiden mit Zwieback und Medikamenten. Durchfall und Magenkrämpfe rein körpersprachlich darzustellen bringt mich an meine Kreativitäts-Grenzen. Die Apothekerin würdigt meinen Einsatz und erwidert ebenfalls körpersprachlich die Erklärung der Präparate. Als auch sie bei der Durchfall-Pantomime rasch mit beiden Händen wie ein Vogel in Hüfthöhe zu flattern beginnt, prusten wir beide vor Lachen los. Viel zu lange nicht mehr Activity gespielt denke ich mir als ich stolz und zufrieden mit den (hoffentlich) richtigen Präparaten die Sandstraße bei Donnergrollen retour spaziere.
Dass wir nach 3 Tagen zu dritt über die Übersetzung der nicht ganz ausgefeilten Version der Offline-Übersetzungs-Software lachen können, beweist, dass sich die inneren Stürme größtenteils gelegt haben. Wir vergießen Tränen beim Lesen der Übersetzungen und Grübeln, was man uns eigentlich mitteilen wollte.
Ab in den Süden. Der Taxi-fahrende Engel Pedro bringt uns vom Flughafen Rio zur Fähre ins Lost Paradise, eine entzückende Insel mit dem Namen: Ilha Grande. Die große Insel. Wobei so groß ist sie gar nicht. Dafür bergig. Was dazu führt, dass es auf Ilha Grande keine Autos gibt. Dort heißen die Autos Scheibtruhe. Im Taxi zur Fähre beschert uns Pedro mit seinem Handy Zugang zum World Wide Web. Und so werden wir Live-Zeugen von Dominic Thiem’s Finanleinzug bei den Australian Open.
Auf der Insel ist alles noch etwas uriger und eine Spur mehr Retro als im nördlichen Jeri. Ich weiß nicht, ob die Insel mich mehr an Kuba oder an Bob Marley erinnert. Geschäfte und Bars in farbenfrohen knalligen Farben, kontrastreiche Umrandungen.
Südamerikanische Klänge tanzen aus fast jeder Maueröffnung. Schlaftrunken von der durchreisten Nacht wandern wir gleich am ersten Insel-Tag auf die andere Seite der Insel zum Lopes Mendes. Der Dschungelpfad schlängelt sich Anaconda-artig über die üppig grünen Bergrücken. Links und rechts des Pfades stehen baumstamm-dicke Bambusholme wie Zinnsoldaten Spalier. Bei genauerem Hinsehen kann man erkennen, wie sie vor den beiden wieder zum Leben erwachten Jungs nach ihrem Magenfiasko ehrwürdig aufsalutieren. Die Eiswürfel-Tragödie hat endlich ein Ende und wir drücken den vitalen Neustart-Knopf.
Einige der Bambusgiganten sind ein wenig geknickt, sie zeugen von den Unwettern der letzten Tage. Als uns der schattige Dschungelpfad am Lopes Mendes schweißgebadet ausspuckt, zücken wir unisono unsere Sonnengläser. Ohne ihnen wäre schauen nicht mehr möglich, zusehr blendet und strahlt dieser blütenweiße feinsandige Strand mit der Sonne um die Wette.
Der Discovery Channel hat ihn unlängst zu einen der weltweit zehn schönsten Strände auserkoren. Für uns ist er der schönste an diesem Tag und so bleiben wir. Ein tolles Gefühl diesen majestätischen Naturteppich unter dem Fussgewölbe wie pures feingemahlenes Mehl zu spüren und vor allem: ihn zu hören! Schritte in diesem Sand klingen wie das Knirschen der Schischuh-Tritte in frischgefallenem Obertauerner Champagner-Schnee, am Heimweg vom ausgelassenen Apres-Ski, wenn Frau Holle die Gegend für den nächsten Schitag vorsorglich anzuckert. Apropos weiß: Wegen Tropenschauern und Darmwinden im Norden haben wir noch immer einen Teint wie Kleopatra nach dem Eselsmilch-Bad. Deshalb beschließen wir, uns nicht in den Sand zu legen, zu beunruhigend ist das Gefühl, andere Strandgenießer könnten uns bei ihren Spaziergängen übersehen. Wir fühlen uns wie Schneehasen im Alaskaschnee mit intensiver Solariumbestrahlung, und so suchen wir die schützenden Almond-Trees in der Nähe auf und spannen unsere mitgebrachten Hängematten gekonnt im kommunikativen Dreieck auf. Ich mag Almond-Trees, durch ihre dichten saftigen Blätter in Übergröße sind sie ein hervorragender natürlicher Vollschattenspender. Und obendrein hübsch anzusehen. Hätt ich gerne zu Hause im Garten. Glaub nur denen bekommt unser Winter nicht ganz. Obwohl: unsere Winter werden ja auch immer wärmer. Werde mal meinen Gärtner befragen. Zufrieden schaue ich durchs Blätterdach auf diesen ach so kitschigen Strand.
Am nächsten Tag verspüren wir Lust auf einen Bootsausflug. In unzähligen Details und vielen Farben male ich Bilder in den Köpfen meiner Cousins wie einzigartig und verträumt die Bootstour auf dem alten Fischkutter mit Hängematten und schattigen Liegematten damals war, als ich vor 16 Jahren schon einmal das Inselidyll hier genossen habe. Die einsamen türkisblauen Strandaufnahmen am Bootstrip-Verkaufsstand unterstreichen unsere Entscheidung den Trip zu buchen.
Den Höllentrip, wie sich herausstellen soll. Tiere dürften so nicht transportiert werden sind wir uns einig. Sonnencremeglitschiger Oberschenkel an sonnencremeglitschigen Oberschenkel gepresst donnert das Motorboot stundenlang restlos überfüllt von Welle zu Welle. Schattiges Rückzugsplätzchen: Fehlanzeige! Über einen ganzen Tag verteilt brennt uns die gleißende Sonne erbarmungslos nieder. Wir können unserer Haut zusehen, wie sie sich langsam von einem zarten Schweinchen-Rosa in ein dunkles siedend heiß gekochtes Hummer-Rot verwandelt. 5 Strände gibt es zu absolvieren. Samstag. Brasilianischer Samstag in Küstennähe. Massen! Massen von Selfie-Stick-Besessenen Dosenbiertrinkern, die ihre Kugelbäuche der Unbewusstheit ihrer Interessens-Genossen entgegenstrecken, immer wieder akustisch begleitet durch ein stolzes Rülpsen. Mainstream pur. Nicht für uns. Als wir am Abend mit gesenktem Haupt den Weg in unsere Pousada antreten, schwören wir uns: „Nie wieder!“ So wie ich mir das schon oft geschworen habe, um immer wieder erneut in diese Mainstream-Fallen zu tappen. Fast wie der geläuterte Trinker am Katermorgen nach dem Vollrausch „Nie wieder Alkohol“ schwört...um sobald die Luft schwarz und der Durst groß ist, wieder am Gläschen, dem Strohhalm oder der Flasche zu saugen.
Es lebe die Selbstbestimmung! Und so packen wir am nächsten Morgen unsere Rucksäcke und wandern zum Cachoeira Feiticeira, einem Wasserfall im Dschungeldickicht der Insel. Was für ein Platz! Ich ringe nach Worten der Beschreibung, dabei sprudelt „mysthisch“, „magnifique“, „magisch“ und vieles mehr aus mir. Wir sitzen und staunen.
Respekt vor der Schönheit und Mächtigkeit der Natur. Wir schweigen. Man würde ohnehin nichts verstehen durch das Getöse der herabfallenden Wassermassen, die sich wie mutige Indianer mit lautem Gejaule über die Klippen in die Tiefe stürzen. Den Tag lassen wir in einer entzückenden Bucht ausklingen. Wie gewohnt baumelnd im schattigen Hängematten-Dreieck. Dolce far niente mit einem Caipi in der Hand. Aufgrund der selbst-diagnostizierten Eiswürferl-Allergie bestellen wir nun alle drei stets den Nationaldrink ohne Eis, wir nennen ihn liebevoll: „Caipirinha – Austrian Edition!“ Die Krux an der Geschichte ist nur, dass die lieben Barkeeper hier die durch die Eis-Abstinenz entstehende Leere im (meist Halbliter) Glas nicht einfach so stehen lassen können. Sie füllen das Delta auch nicht mit Wasser auf. Nein, sie füllen die Lücke stets mit Cachaca, dem lokalen Zuckerrohr-Schnaps, auf. Schlecht für ihren wirtschaftlichen Erfolg. Gut für den Smile in unseren Gesichtern. Zufriedenes Hinübergleiten in unser wohlverdientes Nachmittags-Schläfchen.
Das Donnergrollen weckt uns rechtzeitig um es vorm fast täglichen abendlichen Tropenschauer in unsere schützende Pousada zu schaffen. Der letzte Inselabend in unserem liebgewonnen Stammlokal.
Die Austrian Edition müssen wir dort nicht mehr erklären sondern sie wird mit einem breiten Grinser wohlwollend serviert. Wir hängen nach ein paar Drinks an den Lippen des amerikanischen Sängers John. Nicht nur wenn er singt, auch wenn er sich in einer musikalischen Pause zu uns setzt und uns bei einem Glas Wein von seinem Vagabunden-Leben und den hier herrschenden Insel-Gesetzen erzählt.
Wir verabschieden uns nach 6 erholsamen und zugleich vitalen (Wander)Tagen von der Ilha Grande mit einem herzlichen „Dankeschön!“ Danke für die vielen schönen und chilligen Momente in dieser Jurassic Park ähnlichen Umgebung. Wir fragen uns, ob Rio das hält was sein Ruf verspricht. Wir ziehen los, um uns diese Frage selbst zu beantworten.
In Cannes ist es die Croisette. In New York heißt sie Fifth Avenue. In Paris spricht man von der Champs Elysees. Der Kurfürstendamm ist es in Berlin. In Wien nennt man sie Mariahü. Hier ist es eine lebende Legende: Mythos Copacapana!
Der rote Teppich von Halbreich und Bisschen schön, der Catwalk der Barfuß-Elite. Der Caipi ist meist billiger als Wasser. Zwischen 1 und 2 Euro zahlen wir pro Drink. Auch für die Austrian Edition. Verwunderung stets inklusive. Mit Limetten sparen sie kaum, mit Cachaca nie. Wobei: Schönsaufen muss man sich hier nichts. Weder die eingeölten dunkelbraunen kurvigen Frauen- und Männerkörper, noch die imposante Skyline, noch den Blick auf das endlose Meer mit mächtigem Wellengetöse im Vordergrund. Wir beehren eine schattige Bar und genießen den Aus- und Anblick bei Salsa-Klängen mit Caipi-Untermalung. Man merkt: Der Karneval ist im Anmarsch. Hie und da lugen bereits die übergroßen Pappmaschee-Figuren über Gartenzäune und bekommen den letzten Anstrich und Feinschliff für das bevorstehende Spektakel. Die Samba-Shows in den Lokalen bei Live-Musik an den Abenden mehren sich und Rio bereitet sich für den Showdown vor. Wir auch. Rechtzeitig vor der Abenddämmerung haben wir es auf den Zuckerhut geschafft. Nicht ganz so spektakulär wie James Bond und Eisenbeißer es beim 1979 entstandenen Bond-Streifen zwischen den Gondeln in luftiger Höhe hergehen haben lassen, allerdings doch auch ein Bisschen schaukelnd gondeln wir auf die Spitze. Ob der Caipi uns schaukeln hat lassen oder es tatsächlich die Gondel war, wir lassen es un-ausdiskutiert, zu schweigendmachend ist der Ausblick vom Zuckerhut, der mich unweigerlich an die Pariser-Spitze in den Wiener Aida-Filialen erinnert und mir das Wasser im Mund zusammenrinnen lässt.
Wegen der Architektur kommt man nicht nach Rio. Als Rio gebaut wurde, war die Kreativität offensichtlich auf Siesta. Entzückend machen es allerdings die 7 Hügel, auf und um die Rio gebaut wurde. So stelle ich mir vor könnte das Ergebnis aussehen, wenn Papa-Schlumpf den Befehl zum Ausbau von Schlumpfhausen gegeben hätte.
Noch eine Stunde bis zum Sonnenuntergang. Zwei Caipis später funkeln und glitzern die Lichter der Stadt mit uns um die Wette, fast wie Christbaumkugeln in Kinderaugen. Die Welt ist schön. Rio erst recht. Rio de Janeiro. Alleine das Aussprechen des Namens lässt mich Gänsehaut aufziehen.
Wir tauchen ein in das Nachtleben von Rio de Janeiro. Lapa. Die Altstadt. Das Zentrum des Ausgehens. Jeder Pflasterstein wippt in diesem Viertel zu den Samba-Rythmen, die aus den Bars dröhnen. Es scheint als wäre ganz Rio auf den Beinen. Samba-Pos, straffe Dekolletees und gestählte Muskel, stets umhüllt von kakaofarbigem Teint wohin der Blick fällt. Ein ganz normaler Donnerstag-Abend. Könnte man glauben. Es fühlt sich an wie Nationalfeiertag UND Fußball-Weltmeistertitel gegen Deutschland gemeinsam. Das 2014er-WM-Trauma gegen den europäischen Erzrivalen ist austherapiert. Lebensfreude pur in jedem der tausenden frohlockenden Tanzschritte. Rio zieht uns in seinen Bann und spuckt uns am nächsten Morgen am Rooftop-Pool aus.
Caipis ausschlafen bevor wir zur mittäglichen Stärkung schreiten. Das Lokal mit der TripAdvisor-Bewertung Nr. 1 von 12.756 Lokalen in Rio ist einen Steinwurf von unserem Rooftop entfernt. Uns interessiert, ob man die Nummer 1 von Rio durch echt gute Leistung oder durch gekaufte Rezensionen wird. Wir treten den Test an und stellen fest: Unbeschreiblich galaktisch gute nicht erklärbare Extra Meilen und noch Vieles mehr Leistung! Das ganze Lokal ist bis ins kleinste Detail durchdesignt, als würde Captain Jack Sparrow hier das Kommando haben. Das Lokal heißt und gehört Marius. Der Mann weiß, was Upper-High-End-Kulinarik bedeutet. Und vor allem: Wie man Gäste glücklich macht! Ich sehe meiner 10-teiligen Kulinarik-Skala zu, wie sie sich vor meinem inneren Auge ausdehnt und ich eine glatte 12 vergebe. Alles, was man als Gastronom im Kulinariksektor gut machen kann, bekommt hier ein „fabelhaft“. Abgesehen von den Gaumenfestspielen und den jubilierenden Geschmacksknospen ist der Spirit des Kellner-Teams umwerfend. Erinnerungen an den Motivationsklassiker, das Buch „Fish“, kommen in mir hoch. Ich frage mich, ob die Fischmarkt-Arbeiter, die aus ihrem Job ein freudvolles Gemeinschafts-Spiel gemacht haben, zum Überwintern als Kellner-Team hierher übersiedelt sind? Wir kommen aus dem Staunen nicht raus, schmeckend genauso wie all die Deko-Details bewundernd.
Ayrton Senna’s Formel 1 Helm ist der Mittelpunkt des Buffets.
Der Kreis schließt sich. Seit wir mit seinem Neffen die Nordküste entlang gebraust sind, sind einige wunderbare Erlebnisse und Momente an uns vorbeigestrichen. Schön, dass alles gut ausgegangen ist. Bevor wir uns mit Samba im Herzen und einem Caipi in der Hand in einer Bar mit Live-Musik und Tanz von Brasilien verabschieden, saugen wir den Sonnenuntergang ein letztes Mal auf und sagen: „Danke Brasilien“
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